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Eugen Ruges Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ fängt das Leben in der DDR ein. Die Osnabrücker Bühnenfassung lässt davon nicht viel übrig. Eine Premierenkritik. 

Da sind sie wieder, die Käseigel, mit denen die Geburtstage von Familienpatriarch Wilhelm Powileit gefeiert werden. Anhand wiederkehrender Rituale erzählt Eugen Ruge und mit ihm das Osnabrücker Theater, wie wenig sich in den DDR-Jahren verändert hat, von denen Ruges Bestseller-Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ erzählt. 

Wenig bleibt nach diesem Schauspielabend im Stadttheater auch von der DDR-Wirklichkeit im Gedächtnis hängen: das abgeschabte Interieur von Wohnungen und Treppen, die Parteifunktionäre, wilde Tauschaktionen, um die DDR-Mangelwirtschaft zu überlisten, oder eine witzige Erstfahrt im neuen Trabbi. Was sich im Inneren der Familienmitglieder abspielt, geht oft im schnellen Wechsel der Zeitsprünge unter. Und das, obwohl sich das Regieteam um Regisseur Gustav Rueb drei Stunden Zeit nimmt, die Romanhandlung in groben Zügen entlang Ruges Erzählstruktur nachzuerzählen. 

Mit Mexiko 1952 und den noch vom Kommunismus beseelten Ehepaar Wilhelm und Charlotte beginnt der zeitliche Bogen und endet 1995 dort, als ihr Enkel Alexander krebskrank auf Charlottes einst hoffnungsfrohen Spuren wandelt. 

Das ist die Krux mit den vielen Romanadaptionen, die derzeit die Bühnen bevölkern: Wer der Vorlage künstlerisch nicht massiv Eigenes entgegenzuhalten hat, der verfehlt die ureigene erzählerische Kraft als das Fleisch, das am Roman fasziniert. Und liefert das eher dürre, unverbundene Gebein einer Zusammenfassung. Wie nun in Osnabrück. Nun mögen manche Theatergänger höchst erfreut darüber sein, einem geschätzten Buch auf der Bühne wiederzubegegnen, verfasst von einem Autor, der kenntnisreich von DDR-Alltag und -Geschichte zu erzählen weiß. 

Vielleicht gefällt ihnen auch mal ein Regiestil, der ohne eigene Schnörkel veranschaulicht, was sich im Buch abspielt. Auch das beherrscht Gustav Rueb, der in der vergangenen Spielzeit in Osnabrück „Jenseits von Fukuyama“ geistreich uraufgeführt hat. 

Wenn Klaus Fischer als gebrechlicher und schon recht dementer Jubilar Wilhelm im Sessel hängt und Marcus Hering ihm als stellvertretender Bezirkssekretär beflissen Grußformeln entgegennickt, dann wirkt das direkt dem Buch entsprungen. Doch wer den Roman gelesen hat, den lassen solche „Best-of“-Häppchen unbefriedigt, weil sie nicht selten aus dem Zusammenhang gerissen sind. Wer allerdings das Buch nicht kennt, wird Schwierigkeiten haben mit den wild vor und zurück springenden Erzählzeiten. 

Auch dem neunköpfigen Schauspielensemble gelingt es nicht, eigenes Feuer zu entfachen. Allein Thomas Kienast als Kurt, Klaus Fischer als sein Vater Wilhelm, Franziska Arndt als alkoholkranke Russin Irina und Eva Gilhofer als ihre Mutter Nadjéshda Iwánowna verströmen eine starke, eigene Aura. Die übrigens wirkungsvoll unterstrichen wird durch Dorothee Joistens stilgerechte Kostüme oder die beziehungsreichen Treppenkonstellationen von Bühnenbildner Peter Lehmann . 

Doch gerade Orlando Klaus , in dieser Spielzeit Gast in Osnabrück, bleibt blass und eindimensional, wo seine zentrale Rolle als Alexander Umnitzer Brüche und Tiefe aufweisen müsste – als Schlusslicht und letzter Zeuge eines Familien- und zugleich Systemabstiegs. 

Von Christine Adam