Mittelbayerische Zeitung

„Don Quijote“: Von der Mancha an die Donau

von Peter Pavlas

„Mit Windmühlenflügeln zu kämpfen“, also mit eingebildeten Gegnern statt mit einem Schwarm gefährlicher Riesen, gehört zu den einprägsamsten Bildern aus Werken der Weltliteratur. Spaniens Nationaldichter Miguel de Cervantes Saavedra hatte 1605 und 1615 in zwei Bänden die tragikomische Geschichte von „Don Quixote“ geschaffen. Sie handelt vom Bücherliebhaber Alonso Quijano, der beim Lesen versinkt in einer Welt, die von Rittern handelt. Die sind zwar längst ausgestorben, inspirieren ihn aber dazu, auf ihren Spuren selbst loszuziehen, die Welt vom Bösen zu befreien und das Herz von Dulcinea zu gewinnen.

Don Quijote de la Mancha nennt er sich, sein klappriger Gaul heißt Rosinante. Als Sidekick begleitet ihn der gewiefte Sancho Panza. Die Kämpfe gegen das vermeintlich Üble enden meistens damit, dass Don Quijote Prügel bezieht, was ihm den bekannten Beinamen „Der Ritter von der traurigen Gestalt“ einbringt.

Was macht Helden aus?

Im Rahmen des Mottos „Wahrheiten“ fand als Regensburger Erstaufführung am Sonntag im Theater am Haidplatz die ausverkaufte Premiere von „Don Quijote“ statt in der Bühnenfassung von Jakob Nolte, die auf der viel gelobten Neuübersetzung von Susanne Lange beruht. Für die Dramaturgie sind Daniel Grünauer und Maxi Ratzkowski verantwortlich.

Man muss sich Don Quijote als glücklichen Menschen vorstellen. In seinen Träumen kann er alles sein, alles erleben. Sancho Panza entwickelt sich im Verlauf des Stückes vom Untergebenen zum beinahe Gleichberechtigten. Paul Wiesmann und Jonas Julian Niemann, beide neue Ensemblemitglieder, verkörpern das Gespann mit großer Natürlichkeit und funkensprühender Spielfreude. Sie allein füllen die Bühne überzeugend von der ersten der 100 Minuten bis zum Ende. Dann gab es langen stehenden Applaus und Lob von Intendant Sebastian Ritschel für das Team.

Regisseur Gustav Rueb setzt vor allem auf die komödiantischen Elemente des Romans. Er hatte das populäre Pat-und-Patachon-Schema (ein langer Hagerer und ein kleiner Rundlicher) teilweise aufgelöst, zuvor kurz mit dem Klischee gespielt. „Herr Quijote“, so nennt ihn sein schlanker, junger Adlatus, ist auch ein durchaus Heutiger und Hiesiger, das macht von Anfang an auch das Bühnenbild klar: Zwischen einem kahlen Baum aus der Mancha und einem Getränkeautomaten mit Monster-Drinks vollzieht sich das allmähliche Werden einer intensiven Männerfreundschaft.

Auf dem Weg dorthin spielen die beiden lustvoll mit Geschlechterklischees und sinnieren darüber, was denn nun einen Helden ausmacht. Live-Raps, schwere Beats und David Bowies Song „Heroes“ begleiten sie dabei, ebenso wie herrliche Video-Clips aus der Regensburger Altstadt, die beleuchten, dass solch verpeilte Charaktere auch hier existieren und für Aufsehen und Unverständnis sorgen können. Leo Moros Licht liefert sowohl harte spanische Sonne, Blitz und Donner und einen stimmungsvoll hinterleuchteten Superman-Umhang.

Sancho an der Gitarre

Paul Wiesmann schuf seine Kostüme selbst, vom Salatseiher als Helm bis zum neckischen Mini-Ritterkittel. Sancho alias Jonas Julian Niemann erwies sich auch an Gitarre und Loop-Generator als Musik-Allrounder. Er wird im Verlauf des Stückes immer hellsichtiger. Bei seinem Möchtegern- Ritter dauert es länger. Am Schluss ruft dieser aber: „Ich bin ein Träumer und gehe nun, aber jetzt Schluss mit dem Theater!“ und entdeckt, dass wir selbst die Rettung sind, die wir suchen in einer bedrohten Welt.

Worum geht es also in diesem Spiel? Ist es die Unterscheidung von Realität und Einbildung, Tapferkeit und Narretei, Geistesstörung oder absichtsvolle Spiegelung des Weltgeschehens? Folgen übermäßigen Bücherkonsums? Mehr als das, und weniger.

Einige Szenen und Gags sind schlicht klamaukig, wie allzulange Disco-Tänze oder die Nackedei-Szene, die manchen im Publikum amüsieren, aber wenig plausibel erscheinen. „Ich war heute Abend in Absurdistan“, meinte vergnügt eine Besucherin. Mit erlesenen theatralen Mitteln zeigen die Beteiligten, worum es auch in diesem Stück geht: Mit Imaginärem virtuos zu spielen, Illusionen zu schaffen.