„Romulus der Große“ ist auf den ersten Blick luftig leichtes Theater ohne große Reibungsfläche. Doch in Dürrenmatts Vorlage steckt Substanz und Komplexität. Rueb umschifft den Klamauk, Dürrenmatts Sprache erhält nur selten ein Update. Bezüge zur Neuzeit gibt es auf der Bühne: Gemälde von Helmut Kohl, Angela Merkel oder Michail Gorbatschow als antike Herrscher, einen Retro-Plattenspieler oder ein Auto. Ruebs (politische) Verweise in die Gegenwart gehen vor allem in Richtung USA, etwa, wenn für das Kaiserreich – Amerika lässt grüßen – der Slogan „Make Rome Great Again“ vorgeschlagen wird, oder wenn Trumps inzwischen Ex-Kumpel Elon Musk als Odoakers Neffe Theoderich wild gestikulierend über die Bühne springt. Nach zweieinhalb Stunden mit Pause endet ein vergnüglicher Abend. Das Premierenpublikum honoriert die tolle Ensembleleistung mit langem Applaus.
Read MoreRhein-Neckar-Zeitung
Moralisten zu ertragen im Lande der Pragmatiker und Populisten fällt immer schwerer, Pressefreiheit ist auch in Deutschland in Gefahr, und Nonkonformisten müssen sich wegducken vor der Macht von TikTok und Facebook. Romulus ist in jedem Fall ein Nonkonformist, er duckt sich nicht weg vor der Geschichte als Machtverweigerer. Ob er auch ein Moralist ist, muss also jeder für sich entscheiden – und zuvor der Regisseur. Es ist immer schwach, wenn dieser glaubt, seine Inszenierung vorher erklären zu müssen, statt seine Arbeit unmittelbar dem Publikum anzubieten. Diese war gut, das Publikum angeregt und beileibe nicht überfordert, auch wenn sich Dürrenmatt/Romulus in seinen Zeitbezügen so beliebig bei den Denkmälern der Antike bedient, dass er damit beim historischen Fakten-Check glatt durchfallen wurde.
Read Morenachtkritik
In Heilbronn bleibt der Schweizer Regisseur Gustav Rueb gottlob unterhalb der Klamaukgrenze. Asterix und Monty Python lassen sich allenfalls erahnen. Mit seinen geschliffenen Dialogen und den ausführlichen Regieanweisungen steht "Romulus der Große" noch fest in der Tradition dramatischer Konventionen. Gustav Rueb versucht gar nicht erst, die Konstruktion aufzubrechen oder die Sprache zu "modernisieren". Fotos von Politikern mit Lorbeerkränzen, ein Monitor, Autos, ein Schallplattenschrank aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts: die anachronistischen Aktualisierungen beschränken sich auf Details des Bühnenbilds und der Requisiten. Die Musik zitiert den Italowestern. Was als Anspielung auf den Zustand der Welt verstanden werden konnte, als das Stück geschrieben wurde, hat auch in einer veränderten Welt noch seine Gültigkeit. Und sei es ex negativo.
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