Tragisches Thema, aber Magnus Vattrodt schlägt komische bis kritische Funken draus: „Ein großer Aufbruch“ am Essener Grillo
Der vorgezogene Leichenschmaus beginnt als Dinner: Champagner vorweg, Rotwein zum Reh, danach ein Sorbet. Dazwischen wollte Holm seinen großen Plan verraten, doch bevor der erste Korken knallt, ist es schon raus: Holm hat Krebs, Holm wird sterben. Holm weiß sogar das genaue Datum, denn er will sich in der Schweiz beim Sterben helfen lassen. Was nun in Gustav Ruebs Inszenierung von „Ein großer Aufbruch“ am Essener Grillo-Theater losbricht, ist ein Sturm der Entrüstung und der unliebsamen Offenbarungen. Aus dem vermeintlich letzten gemeinsamen Abendmahl wird ein rhetorisches Schlachtfest.
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Gustav Rueb hat aus dem 270-Seiten-Konvolut die Bühnenfassung erstellt. Eine intelligente Umsetzung, die vieles weglässt und dadurch verdichtet, die weniger aktuelle Politische-Fragen und Islamophobie fokussiert, sondern das Dilemma des westlichen Wohlstandsbürgers vorführt: keine Mitte mehr, kein Glauben. Verführbar sind wir alle geworden. „Unterwerfung“ ist das Stück der Stunde, landauf, landab wird es gespielt. Kassel macht es gut.
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Ihr Schloss steht am Dichterstrand dicht an der Sihl. Dort lebte sie Seite an Seite mit Joachim Ringelnatz, mit Morgenstern, Kästner, Karl Valentin und auch mit Wilhelm Busch. Wer Erica Hänssler sah, alterslos bis zum Schluss, wer mit ihr sprach, traf auf ein Wesen, das sich selber geträumt zu haben schien.
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Erst im vergangenen Oktober hatte sein ebenfalls in Zürich geborener Landsmann Gustav Rueb in Darmstadt gezeigt, wie man den Blödsinn in „Klotz am Bein“ umstandslos forsch angeht – vielleicht die beste Arbeit der Saison am Staatstheater, denn da wurde die Kunst des Klamauks gefeiert.
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Was danach kommt an diesem samstäglichen Premierenabend des Staatstheaters ist ein kleines Wunder: Fast zwei kurzweilige Stunden folgt man gefesselt dem „Wunder um Verdun“.
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Kassel. Gleich von vier Schauspielern wird Houellebecqs Romanheld Francois in Kassel auf der Bühne dargestellt.
Landauf, landab kommt die Bühnenfassung von Michelle Houellebecqs Roman-Dystopie „Unterwerfung“ an die Theater. Nun ist sie (endlich) in Kassel zu sehen, und zwar in der bemerkenswerten Inszenierung von Gustav Rueb. Am Freitag feierte sie im Tif eine umjubelte Premiere.
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Was passiert, wenn die links- und rechtsdemokratischen Parteien zur Verhinderung der Machtübernahme der Rechtspopulisten sich auf einen Moslembruder als Regierungschef verständigen? Im Theater gibt es keine Stühle mehr – jedenfalls nicht für die Männer.
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Gustav Rueb hat für seine Darmstädter Inszenierung von „Ein Klotz am Bein“ den Text aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert neu und frisch übersetzt, und mit dem flüssigen Rhythmus der Sprache hat er die Grundlage gelegt für seine flotte Regie, die den Witz von Figuren und Situationen sehr unterhaltsam herauskitzelt. Nach der Premiere am Samstag im Kleinen Haus des Staatstheaters gab es dafür begeisterten Beifall.
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Fürs Darmstädter Staatstheater hat Gustav Rueb „Ein Klotz am Bein“ (1894) von Feydeau jetzt sowohl frisch übersetzt, als auch im Kleinen Haus inszeniert. Und so wie er bei der Übersetzung nicht übereifrig neumodisch ist, so nehmen er und Dorothee Joisten, Kostüme, auch die zeitliche Festlegung locker, irgendwo zwischen vorletzter Jahrhundertwende und Turnschuh-Lässigkeit. Aber es gibt, um des Witzes willen, schon Tischstaubsauger.
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Gleich mehrfach eindrucksvoll war "Die Orestie" in der Darmstädter Fassung des Regisseurs Gustav Rueb.
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Die Stille tut weh. Das Nichtstun ist ein Ärgernis. Nach knapp drei Stunden, in denen im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt reichlich Kunstblut geflossen und im Minutentakt gemordet worden ist, geht das Saallicht an, und das Theater leistet sich einen sehr seltenen Moment: Es passiert absolut nichts. Wir sollten, so verkündet Samuel Koch als Göttin Athene, nun als Bürger darüber abstimmen, wie das jahrzehntelange Schlachten in der Atridenfamilie beendet und zugleich den Racheansprüchen der Erinnyen Genüge getan werden könne. Doch natürlich geschieht nichts, Beklommenheit macht sich breit, die Schauspieler starren ins Publikum, die Zuschauer starren zurück, die Minuten dehnen sich zur Ewigkeit.
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Die „Orestie“ des antiken Tragödienschreibers Aischylos ist den meisten Lesern nur als Abfolge blutiger Familienmorde bekannt. Agamemnon opfert seine Tochter Iphigenie für besseren Wind nach Troja und wird dafür nach seiner Rückkehr von seiner Frau Klytemnestra und deren Geliebten Aigisth ermordet. Daraufhin schwören die Kinder Elektra und Orest, angefeuert von Apoll und den Erynnien, Rache, und Orest tötet seine eigene Mutter und ihren Geliebten. Die Göttin Athene jedoch gebietet weiteren, von den Erynnien vehement geforderten Racheaktionen Einhalt und übergibt den Fall des Orest einem Athener, das heißt menschlichem Gericht, das Orest schließlich freispricht. Dieses eher prosaische Ende eines wuchtigen Mythos‘ ist weit weniger bekannt als die blutrünstigen Passagen, nicht zuletzt deshalb, weil diese wesentlich spektakulärer sind. Mit ihm setzt nach einhelliger Meinung der Historiker und Philologen der Übergang von einer rein mythischen zu einer rationalen, an der menschlichen Vernunft ausgerichteten Weltsicht ein.
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Aischylos’ „Orestie“ in einer unverblümten Lesart mit teils triftigen Bildern am Staatstheater Darmstadt.
Wieder und wieder die Tat des Orest. In Gestalt von Mathias Znidarec ist er ein Hagerling mittleren Alters mit Vollbart, Brille und Wollkappe, auf der Straße in Darmstadt könnte man ihn für einen Dozenten an einer technischen Fakultät halten. Zu unheroisch an sich für Bluttaten, zerrt er doch wiederholt an diesem Abend, um Untreue und Mord an seinem Vater zu rächen, erst den Aigisthos, den jungen Liebhaber seiner Mutter, dann sie selbst durch einen seitlichen Abgang hinter die Bühne, schwere Schläge sind zu hören; mit Blut befleckt, den Hammer der Tat in der Hand kommt er zurück.
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Gustav Rueb inszeniert im Essener Grillo die Wagnersche Geschichte um den Knaben als Sinnsuche im Dickicht der Städte. Bemerkenswert Eric Schaefers Musikregie. Ruebs Parsifal ist der junge Philipp Noak, auf dessen eindringlich kindliches Spiel in Sprache und Bewegung sich der Zuschauer erst einlassen muss, um ihn dann aber auch für die Disziplin der Kontinuität bis zum Ende zu bewundern. Ein Stück alte Kettwiger Straße scheint auf der Bühne auferstanden, ich habe das Gefühl, ich habe das Ladenlokal einst gekannt, jedenfalls findet Parsifal hier den Roten Ritter, den er tötet um seiner Rüstung willen, er tötet, er mordet ohne Gewissen, ein Weltenzerstörer, der seinen Sinn als Ritter sucht und einen Gott finden mag.
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Doch worum es wirklich geht, um Einsamkeit, Elend, kaum erfüllbare Sehnsucht, um den Furor des Tötens, mündend in die Apokalypse, das Erlöschen des Planeten, das verrät uns Dorst im „Merlin“-Schluss, den das Essener Theater als Prolog von einem Affen, als Epilog von einer verfremdeten, wie jenseitigen Kinderstimme sprechen lässt. So könnte das Stück auch „Szenen vom Ende der Menschheit“ heißen, staunend betrachtet von einer außerirdischen Intelligenz. Für uns von Gustav Rueb so dramatisch wie ergreifend in Szene gesetzt, im wirkmächtigen Bühnen- und Videobild Florian Barths, in äußerst raffinierter musikalischer Gestaltung, die Eric Schaefer erdacht hat.
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Der Weltraum, unendliche Weiten. Am Rand ist ein kleiner Schriftzug zu entdecken: „das Universum“. Er öffnet eine Anthropologenperspektive: auf den Menschen. Am Schauspiel Essen bearbeitet Regisseur Gustav Rueb das Parzival-Epos als Menschheits-Dichtung. Er verbindet zwei Vorbilder: Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ und die Bearbeitung des „Parzival“ von Tankred Dorst.
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Bei "Parsifal" denkt man zuerst an Richard Wagners Bühnenweihfestspiel. Doch auch Dramatiker Tankred Dorst hat eine Theaterversion von der Grals-Legende geschaffen - das Fragment "Parzifal". Einen Mix aus diesen beiden Werken hat Gustav Rueb nun im Essener Grillo-Theater inszeniert.
Gespielt wird zunächst auf der Intensivstation eines Krankenhauses (Bühne und Video: Florian Barth). Während Tor Parsifal, schön kindlich-unbedarft gibt ihn Philipp Noack, seine sterbende Mutter mit Fragen löchert, schieben Menschen in Schutzanzügen, die eher an ein Atomkraftwerk als an eine Klinik denken lassen, Amfortas über die Hinterbühne.
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Richard Wagner und Tankred Dorst haben extrem unterschiedliche Zugriffe auf den Parsifal-Mythos. Dennoch führt ein Theaterabend in Essen sie zusammen. Wagner trifft Dorst: Duell oder Symbiose? Essens Schauspiel konfrontiert Dorsts zusammenhanglose Parsifal-Szenen aus seinem „Merlin“-Drama mit Wagners luxuriös ausgefeilter Erlösungs-Vision in strahlendem Hoffnungsglanz. Der Beginn des dreistündigen Abends gehört Dorst, der die Vorgeschichte reflektiert. Mit dem Eintritt in den Gralstempel nimmt Wagner das Heft in die Hand. Zunächst nur mit dem gesprochenen Text, musikalisch lediglich durch dürre Motivfetzen mit Akkordeon, Trompete und dem glockenklar singenden Aalto-Kinderchor garniert.
In der brillanten Ausführung durch das Essener Schauspiel-Ensemble, das hier jede Banalisierung vermeidet, zeigen sich die literarischen Fähigkeiten Wagners.
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Gustav Ruebs Inszenierung bohrt am Endzeitthema und wehrt sich gegen die Verharmlosung des Stoffes, der nach wie vor Potential hat und alles andere als ein Bremsklotz in der Schultüte ist. Gerne wird die Dürrenmatt-Vorlage auf 80 Minuten eingedampft, in Osnabrück gibt‘s die volle Breitseite mit Sahnehäubchen. Lass sie doch spielen!
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Rueb stellt eine bissige Verbindung zur Gegenwart mit seinem schnellen Erzähltempo her, das sich an multimediale Sehgewohnheiten anlehnt: Die actionreiche Gag-Maschine muss rund um die Uhr laufen, damit das Wichtige im Banalen untergeht. Bilder flimmern weg wie die des unendlichen Unterhaltungsangebots des Internets. Wer denkt noch an Hiroshima? Wer hat noch Angst vor der Atombombe, wenn drei angeheiterte Physiker wahnwitzig auf einer Rakete durch die Nacht reiten?
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