Alle sind hervorragend: Matthias Gärtner als toxisch männlicher Held, der sich als skrupelloser Demagoge entpuppt, Peter Rahmani als überforderter Günther, Sebastian Kremkow als verweichlichter Kunst-Dilettant Paul, Jan Gebauer als manierierter Taktierer Hagen, Teresa Trauth als kompromisslose Richterin und Edda Wiersch als umwerfend plappernde, Barbie- feministische Krimi. Zusammen bilden sie ein perfekt aufeinander abgestimmtes Ensemble, das in Florian Barths variabler, holzvertäfelter Wohnlandschaftsbühne mit schwankenden Böden und verschiebbaren Wänden auf hohem Energielevel agiert. Nina Kroschinskes Kostüme verbinden Zitate aus den 20ern mit heute und punkten mit Wow- Effekten. Und Sergej Maingardt schafft interaktive Klangwelten aus düsteren Atmosphären, subtilen Emotionen und treibenden Beats.
All das fügt sich in knapp dreieinhalb Stunden zu einem faszinierenden, unterhaltsamen Abend, der den deutschen Mythos neu befragt: Vielstimmig klingen Dichterworte von Goethe bis Grönemeyer heran – und verhandeln unsere Probleme im (Tarn-)Gewand des Nibelungen- Stoffes. 1925 und 2025: Multikrisen, das Erstarken der Rechten, die gespaltene Gesellschaft. Dafür gibt es am Ende langen Applaus.
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Auf der Bühne entsteht eine bedrückende Atmosphäre, die in vielem an unsere Zeit erinnert: Alles steht vor mehr als einem gefährlichen Kipppunkt, die Sicherheit ist eine permanent gefährdete, die Ruhe eine trügerische. Doch leider verheddern sich Autor:innen wie Regie in zu vielen Bezügen und Assoziationen und verlieren dabei den Kern aus den Augen. Die anfangs dichte Darstellung einer Zeit, die genau 100 Jahre her ist und der unseren in ihrer Unsicherheit und dem Erstarken radikaler Positionen beängstigend ähnelt, verliert sich in einer leicht konfusen Eskalation. Einiges zieht sich unnötig in die Länge, während anderswo Erzählstränge einfach fallengelassen werden.
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ZappelPhilipp, Suppenkaspar, Struwelpeter, HannsGuckindieLuft, Konrad, der Daumenlutscher, die Pyromanin Paulinchen, der böse Friederich & Co. – die Geschichten von den unartigen Kindern, die ein böses Ende nehmen, sind so legendär wie umstritten. Seit ihrer Erstveröffentlichung durch den Psychiater und Kinderbuchautor Heinrich Hoffmann im Jahr 1845 haben die Erzählungen, die den Mädchen und Buben Moral und »anständiges« Benehmen einbläuen sollten, nichts von ihrer gruseligen Faszination verloren. Die britische Kultband »The Tiger Lillies« hat den pädagogisch fragwürdigen Stoff zusammen mit den Autoren Julian Crouch und Phelim McDermott zu einer wunderbar anarchischen JunkOper umgearbeitet. Mit viel groteskem Witz und einer musikalischen Mischung aus abgefahrenen Zirkusklängen und schrägmakabrem Sound à la Tom Waits bietet das mehrfach preisgekrönte Musical ein »Mordsvergnügen« für alle, die Spaß an einer gehörigen Portion schwarzen Humors haben.
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„Romulus der Große“ ist auf den ersten Blick luftig leichtes Theater ohne große Reibungsfläche. Doch in Dürrenmatts Vorlage steckt Substanz und Komplexität. Rueb umschifft den Klamauk, Dürrenmatts Sprache erhält nur selten ein Update. Bezüge zur Neuzeit gibt es auf der Bühne: Gemälde von Helmut Kohl, Angela Merkel oder Michail Gorbatschow als antike Herrscher, einen Retro-Plattenspieler oder ein Auto. Ruebs (politische) Verweise in die Gegenwart gehen vor allem in Richtung USA, etwa, wenn für das Kaiserreich – Amerika lässt grüßen – der Slogan „Make Rome Great Again“ vorgeschlagen wird, oder wenn Trumps inzwischen Ex-Kumpel Elon Musk als Odoakers Neffe Theoderich wild gestikulierend über die Bühne springt. Nach zweieinhalb Stunden mit Pause endet ein vergnüglicher Abend. Das Premierenpublikum honoriert die tolle Ensembleleistung mit langem Applaus.
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Moralisten zu ertragen im Lande der Pragmatiker und Populisten fällt immer schwerer, Pressefreiheit ist auch in Deutschland in Gefahr, und Nonkonformisten müssen sich wegducken vor der Macht von TikTok und Facebook. Romulus ist in jedem Fall ein Nonkonformist, er duckt sich nicht weg vor der Geschichte als Machtverweigerer. Ob er auch ein Moralist ist, muss also jeder für sich entscheiden – und zuvor der Regisseur. Es ist immer schwach, wenn dieser glaubt, seine Inszenierung vorher erklären zu müssen, statt seine Arbeit unmittelbar dem Publikum anzubieten. Diese war gut, das Publikum angeregt und beileibe nicht überfordert, auch wenn sich Dürrenmatt/Romulus in seinen Zeitbezügen so beliebig bei den Denkmälern der Antike bedient, dass er damit beim historischen Fakten-Check glatt durchfallen wurde.
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In Heilbronn bleibt der Schweizer Regisseur Gustav Rueb gottlob unterhalb der Klamaukgrenze. Asterix und Monty Python lassen sich allenfalls erahnen. Mit seinen geschliffenen Dialogen und den ausführlichen Regieanweisungen steht "Romulus der Große" noch fest in der Tradition dramatischer Konventionen. Gustav Rueb versucht gar nicht erst, die Konstruktion aufzubrechen oder die Sprache zu "modernisieren". Fotos von Politikern mit Lorbeerkränzen, ein Monitor, Autos, ein Schallplattenschrank aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts: die anachronistischen Aktualisierungen beschränken sich auf Details des Bühnenbilds und der Requisiten. Die Musik zitiert den Italowestern. Was als Anspielung auf den Zustand der Welt verstanden werden konnte, als das Stück geschrieben wurde, hat auch in einer veränderten Welt noch seine Gültigkeit. Und sei es ex negativo.
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Wer Theater sehen will, wo alles stimmt, tolles Spiel, stimmiges Regiekonzept, mit aussagestarkem Bühnenbild und sprechenden Kostümen - der sollte „Ajax“ nicht verpassen.
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Am Anfang wirkt alles noch so, wie eine etwas durchgeknallte Boulevardkomödie: eine schräge Familie, in ihrem geschmacklosen Domizil, eingeschlossen, wie in einen mahagonibraunen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Edelholzsarg, gefangen in sinnfreien Ritualen und ziellosen Grübeleien. Ein Biotop ganz nach dem Geschmack des Filmemacher-Pärchens Viktor und Sabrina, die hier die ideale Dynastie gefunden zu haben glauben, um ein beispielhaftes Epochen-Porträt ihrer Gegenwart – die 1920er-Jahre - zeichnen zu können. Das ist die Grundkonstellation der Auftragsarbeit „Die Nibelungen – Rang und Drang“, die jetzt im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt uraufgeführt wurde.
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Die Premiere im Deutschen Theater am Sonnabend verwüstet die Bühne und lässt aufgewühlte Zuschauer zurück – welche die Arbeit von Regisseur Gustav Rueb mit Standing Ovations würdigen. Heiner Müller lässt grüßen: Die Antike wird nicht bloß zitiert, sondern neu aufgeladen.
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Das Ensemble leistet in dieser dreistündigen Inszenierung Besonderes. Man merkt, dass alle voll hinter dieser Tell-Version stehen und die Aussage möglichst eindringlich und überzeugend ans Publikum bringen wollen.
Milan Béla Uhrlau ist ein wahrhaft vierschrötiger und in seiner Unsicherheit bewusst „männlich“ agierender Tell, Daniel Scholz spielt einen in seiner Nonchalance der Macht nicht nur skeptischen, sondern fast schon kontraproduktiven Vertreter eben dieser Macht. Karin Klein spiegelt all die Nöte einer Ehefrau und Mutter in einer macht- und kampfbesessenen Welt wider, und Edda Wiersch verleiht auf ihre unnachahmliche Art der Berta von Bruneck politischen Weitblick, Unabhängigkeit und ein intuitives Machtbewusstsein. Ali Berber spielt den Melchtal als heutigen Hooligan mit viel Testosteron und überschaubarer Intellektualität. Torsten Loeb gibt einen politische wendigen Stauffacher, Florian Donath einen den Winkelzügen der Bruneck nicht gewachsenen Nachwuchspolitiker und Sebastian Schulze einen idealistischen Sohn mit Vaterkomplex. Hubert Schlemmer muss sich dagegen leider mit der Rolle des schlichten Walter Fürst begnügen. Das Premierenpublikum honorierte diese „Tell“-Version mit kräftigem, anhaltendem Beifall.
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Natürlich ist in dieser knapp dreistündigen Anti-Tell-Wundertüte viel zu viel drin. Die Schlagworte purzeln im Minutentakt über die Bühne: Es geht um Identitätspolitik und Geschlechtergerechtigkeit, um Autonomiebehörde und Teilhabe, um homo versus hetero, um Kultur gegen Barbarei, kurz, um alles, was gegenwärtig die Gemüter in Wallung bringt. Dass dies trotz des Overkills durchweg Spaß macht, liegt vor allem an der immer kurz vor der Grenze zum reinen Klamauk innehaltenden Regie Gustav Ruebs, die selbst platte Gags mit witzigen Regieeinfällen veredelt und immer wieder kabarettreife Szenen kreiert, aber den Jux mit soviel intelligenter Bosheit paart, dass man die Widerhaken nicht übersehen kann.
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Bunt-schräger Ideenreichtum
Gustav Rueb setzt auf ziemlich viel Spaß im politischen Scharmützel; sowohl bei den grenzdebilen Mannsbildern der Provinz-Eliten wie auch beim "Essenz"-Kerl Tell und im Umfeld von Frau Berta, Herrn Gessler und dem jungen Rudenz. Der darf sogar mal "mit der Tür ins Haus fallen" – indem er wirklich hinter einer Tür steht und "ins Haus" fällt. Daniel Roskamp hat ein feines Wohnzimmer auf der Seitenbühne platziert, inklusive Video-Kamera, während die ganze Breite der Kammerspiel-Bühne einigen Berg-Panoramen vom Vierwaldstätter See gehört. Gelegentlich wird die Wald-Idylle (in der das Ensemble zu Beginn auch Bäume jodeln lässt zum Alphorn-Klang) von einem Fahrstuhl gestört, der heraufzukommen scheint wie in die Waldidyll- und Wellness-Oase eines Luxus-Hotels. Nina Kroschinske verpasst den hinterwälderischen Pseudo-Revoluzzern Western-Kostüme – auch das ist ein ulkiger Einfall.
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Klimawandel, Verantwortung, die Macht der Medien: „Nach dem Essen“ verhandelt große Fragen. Jetzt brachte Regisseur Gustav Rueb das Stück erstmals auf die Bühne: ein dichter 90-Minuten-Abend, der das Publikum fordert.
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Langanhaltender und absolut verdienter Beifall für einen höchst originellen und aktuellen Text, für ein präzises Ensemble und für eine stets unterhaltsame und zugleich nachdenkliche Inszenierung.
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Diemel hat Blut geleckt, im Wortsinn. Eine Redewendung aus der Jägersprache, die sich wie ein roter Faden durch die schräge, anarchisch absurde Black Comedy "Achtsam morden" zieht, die am Samstag im Komödienhaus Heilbronn umjubelte Premiere feierte. Trash und Unterhaltung mit drei Erzkomödianten: Nils Brück, Arlen Konietz und Judith Lilly Raab spielen über 50 Rollen in knapp zweieinhalb Stunden mit Pause - eine vergnügliche Geisterfahrt.
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Das Oldenburger Staatstheater zeigt eine 90-minütige Inszenierung mit intelligentem Text, die spannend zu verfolgen ist und die zur aktiven Auseinandersetzung einlädt. Die Kostüme und das Bühnenbild haben in Farbe und Gestalt eine gelungene, ergänzende und den Inhalt unterstützende Form. Während des Stückes gibt es diesen tollen Moment, in dem die Schauspielenden die Form der Inszenierung hinterfragen und die Bühne verlassen, um draußen nachzuschauen, ob die Welt noch steht. Am Ende war das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Häuschen. Die wenigen, die vorzeitig aufgegeben haben, haben etwas verpasst. Die, die noch nicht da waren, sollten die Chance nutzen. Ein Besuch lohnt sich!
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Das Bühnenbild ist minimalistisch, aber durch interaktives Videodesign höchst wirkungsvoll gestaltet. Dazu gehören mehrere mobile LED-Panels und ein abgeschrägter LED-Boden, der die Bewegungen der Schauspielerinnen mithilfe einer Infrarot-Kamera und per Live-Tracking wiedergibt. Und da gibt es einiges zu sehen, denn viele auf den Punkt durchchoreografierte Strecken entfalten hohe suggestive Kraft. Antworten gibt es am Ende nicht, aber wohlverdienten Applaus für einen ergreifenden Theaterabend, der zwar bekannte Diskurse und Bilder verhandelt, aber durch die Umsetzung beeindruckt.
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Mit erlesenen theatralen Mitteln zeigen die Beteiligten, worum es auch in diesem Stück geht: Mit Imaginärem virtuos zu spielen, Illusionen zu schaffen.
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Gustav Ruebs Inszenierung holt aus Tom Lanoyes „Königin Lear“ alles raus. Tom Lanoyes Shakespeare-Überschreibung „Königin Lear“ rennt durch Spiegelung und Modernisierung der vertrauten Konstellation offene Türen ein. Im Detail fehlt ihr trotz des Versmaßes ein paar Jahre und Produktionen später – nach der rasanten deutschsprachigen Erstaufführung am Schauspiel Frankfurt (2016) – sogar etwas der Pfiff. Aber das Staatstheater Darmstadt hat ihn, und in der trefflichen Inszenierung von Gustav Rueb ist es auf einmal wieder spannend und berührend wie lange nicht. Im Zentrum zwei Schauspielerinnen und eine wirkungsvolle Idee, aber auch insgesamt ist alles stimmig.
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Wie aus einer eiskalten Firmenchefin ein armes, altes, ausgestoßenes Weib wird: Gustav Rueb inszeniert „Königin Lear“ am Staatstheater Darmstadt. Karin Klein in der Hauptrolle berührt. Ebenso viel Applaus bekommt sehr zu Recht Mona Kloos, die als Lears Pflegerin, Narr und Gebärdendolmetscherin auf der Bühne steht. Das Dolmetschen erlaubt auch Gehörlosen den Besuch der Vorstellung. Zudem wirkt es wie ein theatraler Booster.
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